Wie erkennt man den Willen Gottes?

■ Eines der bekanntesten Worte des Evangeliums lautet: “Nicht jeder, der zu Mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Himmelreich eingehen, sondern nur, wer den Willen Meines Vaters tut, der im Himmel ist [wird in das Himmelreich eingehen]” (Mt 7,21). Somit betont Jesus mit allem Nachdruck, dass es letztendlich nicht allein auf das Wissen von und um Gott ankommt, sondern darauf aufbauend dann auch um die praktische Umsetzung bzw. Realisierung Seines heiligen Willens durch den menschlichen freien Willen im Alltag.
Nun sind uns vor allem die Zehn Gebote Gottes gegeben worden, damit wir Seinen Willen erkennen und befolgen können. Hinzu kommen auch die erhabenen sittlichen Lehren des Evangeliums, die uns die betreffenden christlichen Ideale vor Augen führen. Vor allem in der Bergpredigt, die als ein Inbegriff der hehren Morallehre Jesu Christi gelten kann, werden ja auch so manche wesentliche Korrekturen an den betreffenden unzulänglichen Ansichten des Alten Testamentes angebracht. Wer sich daran hält, kann nicht in die Irre gehen, sondern findet den Weg zum wahren Gott und somit grundsätzlich auch zur Erkenntnis Seines Willens!
Dennoch gibt es auch Ereignisse und Entwicklungen in unserem Leben, die uns das Verständnis um den Willen Gottes in dieser oder jener ganz konkreten Situation stark erschweren, weil der Mensch dadurch wie auch immer irritiert wird und nicht mehr genau weiß, wie das eine zum anderen passt oder zu verstehen ist. Vor allem befinden wir uns in einer solchen Situation, wenn wir Enttäuschungen erfahren oder als Niederlage empfundene Erlebnisse erleiden und uns dann fragen, ob und wie denn Gott dies oder jenes zulassen könne, wie sich denn der allgemeine gute Wille Gottes mit der angeblichen oder vermeintlichen Zulassung dieses oder jenes negativen Ereignisses zu vereinbaren sei.
Ähnliche Fragen stellen sich uns auch, wenn wir z.B. in einem wichtigen Anliegen beten, und es dann subjektiv leider nicht so erfahren, als sei unsere Gebetsbitte erhört worden. So stellen wir dann etwa folgende Fragen: Ist Gott uns überhaupt wohlgesonnen, wenn Er unser Gebet anscheinend nicht erhört? Haben wir vielleicht grundsätzlich eine falsche Einstellung zu diesem oder jenem wichtigen Punkt (eventuell auch zu dieser oder jener Glaubensfrage), weil unser Gebet scheinbar vergebens ist? Und so stellt sich uns auch die grundsätzliche Frage, wie man denn den Willen Gottes bisweilen überhaupt erkennen könne, um ihn dann natürlich auch befolgen zu können.
■ Nun, der erste Grundsatz, nach dem man sich da im geistlichen Kampf bemühen sollte zu richten, ist in dem einen lateinischen Spruch zusammengefasst: “Vox temporis vox Dei” - “Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes”. Dies soll bitte nicht etwa im liberalistischen Sinn verstanden werden, als ob man den Leuten auf den Mund schauen und seine Meinung danach bilden sollte, was die Mehrheit in unserer Gesellschaft nämlich denke und sage. Nein, eine solche Interpretation würde der christlichen Sicht der Dinge komplett widersprechen!
Was damit gemeint ist, ist die Erkenntnis, dass die ganz konkreten Lebensumstände, die wir sowohl generell in unserem Leben als auch einzeln im Alltag jeweils antreffen, für uns den Rahmen bestimmen, in welchem wir uns auch und gerade geistig-religiös bewegen müssen bzw. bewähren sollen. Wenn wir zutiefst davon überzeugt sind, dass trotz der menschlichen Wahlfreiheit, wodurch wir leider auch viel Übles verursachen, letztendlich doch Gott der Lenker der Geschichte ist, weil Er ja allen, die Ihn “lieben, alles zum Besten” gereichen lässt (vgl. Röm 8,28), dann wissen wir auch, dass die von uns angetroffenen konkreten Lebensumstände im bestimmten Umfang doch auch irgendwie in Entsprechung zu Seinem Willen oder Seiner Zulassung stehen. Also soll es uns in erster Linie wohl nicht darum gehen, irgendwelche vermeintlich idealen Zustände herbei zu träumen bzw. schwärmerisch herbei zu sehnen, sondern darum, die Bereitschaft aufzubringen, Christus als dem göttlichen Bräutigam unserer Seele letzten Endes in der jeweils konkreten Situation bedingungslos zu folgen.
Jesus spricht von Seinen Jüngern als von Seinen Schafen, deren guter Hirte Er ist. “Der gute Hirt gibt Sein Leben für die Schafe” (Joh 10,11). “Er ruft Seine Schafe beim Namen und führt sie heraus” (Joh 10,3). “Meine Schafe hören auf Meine Stimme, Ich kenne sie, und sie folgen Mir. Ich schenke ihnen ewiges Leben; sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen, und niemand wird sie Meiner Hand entreißen.” (Joh 10,27f.)
Der Seher Johannes sah in einer Vision “das Lamm ... auf dem Berg Sion” stehen und eine Schar der Auserwählten bei Ihm. Diese geretteten Seelen “sangen ein neues Lied vor dem Throne”. Außer ihnen konnte keiner dieses Lied lernen, und dann kommt der für uns hier entscheidende Satz: “Sie folgten dem Lamm, wohin es geht” (Offb 14,4) bzw. wohin das wahre Lamm Gottes, Jesus Christus, sie auch immer führt! Offensichtlich besteht eine der wesentlichsten Eigenschaften der treuen Jünger Jesu darin (ohne die man dieser Jüngerschaft wohl doch verlustig geht), dass sie der für sie in der jeweiligen Lebenssituation ganz konkreten Stimme Christi, Seinem heiligen Willen, Folge leisten.
So hat ja wohl jeder von uns eine gewisse Vorstellung davon, was er in seinem Leben noch alles gern erleben, erfahren oder auch erreichen möchte. Wenn das alles gute und moralisch vertretbare Ziele sind und der eigene Plan z.B. bei der Berufswahl auch den gottgegebenen natürlichen Fähigkeiten entspricht, soll man natürlich auch mit allen einem zur Verfügung stehenden legalen Mitteln danach streben, sie zu erlangen. Da soll man sich dann auch nicht durch jede Kleinigkeit oder so manche Hindernisse davon abbringen lassen - daran erkennt man auch, ob man es wirklich ernst meint.
Dennoch können dann aber auch neue Entwicklungen im Leben hinzukommen, die den ursprünglichen Plan entweder teilweise oder unter Umständen sogar gänzlich über den Haufen werfen. Dies kann z.B. durch eine ernsthafte Erkrankung, einen persönlichen Verlust, eine wesentliche Veränderung der konkreten Lebensumstände oder ein sonstiges einschneidendes Ereignis im Leben geschehen, womit wir ursprünglich so nicht unbedingt gerechnet haben. Wer plant schon z.B. eine schwere Erkrankung in seinem Leben ein?
Ähnlich verhält es sich, wenn man die Feststellung machen muss, dass einem entweder körperlich oder von der Persönlichkeitsstruktur her zu sehr entweder wichtige Fähigkeiten und Eigenschaften fehlen oder es einem einfach an einer hinreichenden richtigen Einstellung mangelt, um z.B. diesen oder jenen Beruf zu ergreifen, Priester oder Ordensperson zu werden, diese oder jene Person zu heiraten - auch wenn man selbst meinen sollte, es ziehe einen emotional in die betreffende Richtung. Man höre da auch lieber mehr auf den guten Rat lebenserfahrenerer Personen und Seelsorger statt auch zum eigenen nicht geringen Nachteil stur seinen eigenen Schädel durchsetzen zu wollen. Manchmal sehen zwei oder vier andere Augen mehr als die eigenen zwei...
Und dann entscheidet es sich auch, wie fest unser Glaube ist, wie stark wir unser Gottvertrauen bereits ausgebildet haben. Selbstverständlich sollte man alle legitimen Mittel einsetzen, um das entstandene gesundheitliche Problem zu beseitigen bzw. die anderen negativen Erscheinungen wenigstens abzumildern. Wenn man aber trotz aller unternommenen Anstrengungen krank bleibt oder unter dieser oder jener negativen Erfahrung leiden muss oder auch diesen oder jenen körperlichen oder charakterlichen Mangel nicht beseitigen kann, dann könnte das durchaus auch bedeuten, dass wir uns bei der Erstellung dieses ganz konkreten Lebensplanes getäuscht haben - Gott will das nach dem unergründlichen Ratschluss Seiner Vorsehung anscheinend doch nicht so.
Dann erwartet Er von uns wohl, dass wir erstens die betreffende objektive Sachlage akzeptieren und zweitens uns dann eben auf diese neue, veränderte Weise bewähren. Manchmal ist es wohl gottwohlgefälliger, in Erkenntnis der objektiven Realität sowohl sich selbst als auch Gott gegenüber in Demut und Bescheidenheit einzugestehen, dass es wohl doch nicht so sein soll, wie man es ursprünglich gedacht bzw. wie man anfangs geplant hat.
Selig der Mensch, der dann letztendlich doch nicht gegen die Zulassung Gottes protestiert und rebelliert, sondern jede neue Wendung in seinem Leben aus der Hand Gottes annimmt und das betreffende eventuelle Kreuz im Geiste der Buße und christlichen Gottergebenheit akzeptiert. Denn letztendlich nur wenn wir dann auch die Kraft aufbringen, sogar voll Hingabe an Gott die Worte des Vaterunsers zu sprechen: “Dein Wille geschehe”, wird in unser Herz (eventuell wieder) ein tiefer übernatürlicher Friede einkehren bzw. werden wir (gegebenenfalls erneut) die tröstende Gegenwart Gottes in unserem Leben erfahren!
So können wir den Willen Gottes nicht nur sozusagen daran ablesen, ob wir nämlich als Mann oder Frau erschaffen, mit diesem oder jenem Talent ausgestattet, in diese oder jene Familie hineingeboren worden sind, sondern auch daran, welchen Menschen wir begegnen und welche Aufgaben sich uns dadurch (bisweilen sogar sehr kurzfristig) stellen, welche Position uns durch Eltern oder Vorgesetzte zugewiesen werde, welche Ereignisse uns widerfahren bzw. welche auf den ersten Blick als negative Erfahrungen eingestufte Änderungen unseres eigenen Lebensplanes uns sozusagen zugemutet werden.
So hat ja auch die Muttergottes ursprünglich keinesfalls damit gerechnet, dass sie die Mutter des künftigen Erlösers werden sollte. Nun erschien ihr aber eines Tages plötzlich der Erzengel Gabriel und verkündete den gegen ihre ursprüngliche eigene Erwartung gerichteten entsprechenden Ratschluss Gottes, dass nämlich ausgerechnet sie jenem Heiland das Leben schenken soll. Und eigentlich wohl nur, weil sie dann ihren ursprünglichen Lebensplan ehrlichen Herzen hatte ändern lassen bzw. mit uneingeschränkter Hingabe gesprochen hatte: “Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort” (Lk 1,38), wurde sie auch in Gnade einer übergroßen Freude gewürdigt, welche sie selbst mit folgenden wunderbaren Worten zum Ausdruck bringt: “Hoch preist meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland” (Lk 1,46f)! Sie als treue Seele folgte nämlich sehr wohl vorbildlich “dem Lamm, wohin es geht” (Offb 14,4), und wurde bereits auf Erden des dafür vom Himmel vorgesehenen Lohnes der ganz besonderen gnadenhaften Gottesfreundschaft teilhaftig!
■ Der zweite Grundsatz, welcher von uns bei der Bemühung um die Erkenntnis des Willens Gottes berücksichtigt werden sollte, ist die Erkenntnis, dass wir, Menschen, an sich nur einen winzigen Ausschnitt aus der Gesamtrealität, auch aus der Gesamtrealität Gottes, sehen können. Zwar ist unser menschlicher Verstand sehr wohl zu vielem fähig. So kann grundsätzlich jeder Mensch die Existenz Gottes und Seine wesentlichen Eigenschaften - Seine Heiligkeit und Allmacht, Seine Güte und Barmherzigkeit, Seine Gerechtigkeit und Liebe - als solche erkennen. Auch sind wir von unserer geistig-intellektuellen Leistung her durchaus in der Lage, Gut und Böse, Richtig und Falsch voneinander zu unterscheiden bzw. moralisch richtig zu einzuordnen.
Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass unser menschlicher Verstand von seiner Leistungsfähigkeit her eingeschränkt ist bzw. an bestimmte Grenzen stößt. Zwar können wir z.B. erkennen, dass Gott Seinem Wesen nach gut ist; aber wir sind trotzdem nicht fähig, die unendliche Tiefe bzw. den endlosen Reichtum des Gutseins Gottes ganz auszuschöpfen! Zwar sind wir in der Lage, eine echte und wahre Erkenntnis bezüglich dessen zu vollziehen, was z.B. die Gerechtigkeit Gottes beinhaltet; dennoch ist es unserem menschlichen Verstand nicht gegeben, die Ratschlüsse Gottes in ihrer gesamten göttlichen Vielfältigkeit etwa restlos zu ergründen!
Und zwar ist diese Erkenntnis sehr wohl logisch: Wie soll denn die in vielerlei Hinsicht vorliegende Endlichkeit und Eingeschränktheit des menschlichen Wesens überhaupt die Unendlichkeit und Absolutheit Gottes in dem Sinn begreifen können, dass sie sie in ihrer himmlisch-übernatürlichen Gesamtheit durchschauen oder etwa nach der Art eines ausgeklügelten Computerprogramms sozusagen bis ins letzte Detail ausrechnen würde? Dazu müsste der Mensch schon selbst Gott sein, was er aber natürlich nicht ist. Nein, wir vollziehen mit unserem Intellekt durchaus rational die Erkenntnis, dass unser Verstand, die Ratio, trotz allem grundsätzlich doch nicht in der Lage ist, die unendliche Realität Gottes (voll und ganz) zu begreifen - diese Erkenntnis ist ebenso eine höchst rationale Leistung!
In den folgenden höchst eindrucksvollen Worten des hl. Apostels Paulus schimmert ebenfalls diese grundsätzliche Erkenntnis durch: “O Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind Seine Ratschlüsse, wie unergründlich Seine Wege! Denn wer erfasst die Gedanken des Herrn? Wer ist Sein Ratgeber? Wer gibt Ihm zuerst, was Ihm vergolten werden müsste? Aus Ihm und durch Ihn und für Ihn ist alles. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.” (Röm 11,33-36)
In konkreter Weise wird für uns dieser Grundsatz aktuell, wenn wir z.B. in dem einen oder anderen vielleicht sogar sehr wichtigen Anliegen eine ganze Zeit lang den Himmel im Gebet bestürmen, sich bei uns aber dann irgendwann doch der Eindruck einstellt, als würde Gott unsere Bitte nicht erhören. Wie soll es denn stimmen, dass das Gebet angeblich nie vergebens sei, wenn man ja keine Wirkung des eigenen geduldigen und vertrauensvollen Betens sieht? Wie soll man denn weiterhin voll Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft beten, wenn man sich in seinen Lebenskreuzen und Sorgen von Ihm allein gelassen wähnt?
Ein Mensch, der einen eher schwächeren Glauben hat, wird an solchen Fragen bzw. scheinbaren Widersprüchen wohl eher verzweifeln und dann an seinem Glauben einen noch weiteren nicht unbeträchtlichen Schaden nehmen. Ein Mensch festeren Glaubens wird zunächst wohl ebenfalls keine erschöpfende bzw. vollends zufriedenstellende Antwort auf die gerade gestellten Fragen geben bzw. nicht die betreffenden scheinbaren Widersprüche gänzlich aufheben können. Aber er wird dann auch dank des bisher durchaus ziemlich bewusst erlebten gnadenhaften Wirkens Gottes in seinem Leben letztendlich doch auch die Glaubenskraft finden, zu erkennen und zu bekennen, dass er dennoch weiß bzw. sogar zutiefst davon überzeugt ist, dass sich auch hinter dieser scheinbaren Taubheit Gottes den eigenen Gebeten gegenüber doch auch unbedingt ein tieferer Sinn verbirgt!
Vielleicht ist es uns ja auch schon so gegangen, dass man in einem bestimmten Anliegen betet und den Eindruck hat, es bewege sich da eigentlich nichts. Dann aber, nicht selten sogar nach vielen Jahren, geht unser betreffendes Gebet auf eine solche Art und Weise plötzlich in Erfüllung, an welche man ursprünglich nicht im Entferntesten dachte und welche unsere eigene anfängliche mit unserem Gebet verbundene Hoffnung bei weitem übertrifft. Da steht man dann da und kann nur sagen: O lieber Gott, wie groß, weise und gütig bist Du!
Oder man vollzieht aufgrund verschiedener objektiver Ereignisse oder persönlicher Erfahrungen eine ganze Weile später die Erkenntnis, dass man durch die scheinbare Nichterhörung unseres Gebetes (auf eine Weise nämlich, wie wir es uns in unserer Unzulänglichkeit ursprünglich vorgestellt hatten) letztendlich vor einem bestimmten Übel bewahrt worden ist, welches unser Leben doch nennenswert erschwert hätte. Da realisiert man dann voll gläubigen Staunens, dass die Erhörung des Gebetes bisweilen durchaus auch darin bestehen kann, dass Gott es eben nicht nach unserer menschlich-unzulänglichen Art und Vorstellung macht, sondern dabei zuvörderst und hauptsächlich Seine Weisheit walten lässt!
Solche Erfahrungen zeigen uns, dass der Mensch letztendlich doch nur einen kleinen, ja winzigen Ausschnitt aus der Gesamtrealität sieht und erkennt, Gott dagegen den ganzen und alles umfassenden Überblick über das Gesamtgeschehen hat und somit viel besser weiß, was für uns gut oder schlecht ist, was uns zum Wohl von Leib und Seele gereicht oder eher schadet, was uns geistig reifen lässt oder uns in der Entwicklung im Hinblick auf Zeit und Ewigkeit eher zurückwirft. Es möge in uns also das Vertrauen darauf wachsen, dass Gott schon Seine (viel tieferen) Gründe dafür hat, warum Er das eine Gebet anscheinend genau so erhört, wie wir es uns vorstellen, und das andere Gebet dagegen auf eine Weise, die entweder unserer menschlichen Vorstellung widerspricht oder sie bei weitem übertrifft! In jedem Fall ist das vertrauensvolle Gebet grundsätzlich nie vergebens - wir sollten bitte nie dabei nachlassen!
So wollen wir uns auch bemühen auszuschließen, dass wir wegen der Zulassungen Gottes hadern, die im Widerspruch zu unserer eigenen Vorstellung zu stehen scheinen, sondern wollen in ihnen ebenfalls einen Wink des Himmels sehen. Hat denn nicht auch und gerade so manches Kreuz, welches uns auf unserem Lebensweg begegnete, unseren Blick auf eine bestimmte Weise für größere Zusammenhänge geschärft, auf höhere Wahrheiten gelenkt und so entweder zum vertieften Glaubensleben oder/und sonstigen Nutzen beigetragen, so dass wir solche besonderen Erfahrungen heute trotz allem damit eventuell auch verbundenen nicht geringen Leid eigentlich nicht mehr missen möchten? Umso bewusster wollen wir dann voll Glauben und Gottvertrauen auch die Bitte des Vaterunsers beten: “Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden”.
■ Wir, Menschen, neigen ja auch schnell dazu, wie auch immer zu bestimmen, was von Gott an sich zugelassen werden könne und was nicht. So hat schon so manch einer gemeint, es könne ja nicht sein, dass - um nur eines von vielen möglichen Beispielen anzuführen - die “Konzilskirche” in vielerlei Hinsicht den wahren katholischen Glauben aufgegeben habe und nun eine ganze Reihe von Irrlehren zu ihrem offiziellen “Repertoire” zähle. Es dürfe ja nicht sein, dass die “neue Messe” an sich ungültig sei und einer protestantischen Mahlfeier gleichkomme. Es sei ja unvorstellbar, dass Gott zulassen könne, ein formaler Papst lehre und verbreite ganz bewusst gefährliches häretisches Zeug.
Und weil dies angeblich grundsätzlich nicht möglich sein könne, tun dann diese Menschen auch ihrem eigenen Gewissen nicht selten Gewalt an und “biegen” die betreffenden Häresien trotz aller Offenkundigkeit des Glaubensabfalles des modernistischen Rom mit künstlichen “Argumenten” nach ihrer eigenen Art “zurecht” - nicht selten weil man schlicht und ergreifend Furcht vor den entsprechenden Konsequenzen für das eigene Verhalten hat. Statt den objektiven Realitäten in die Augen zu schauen und darauf aufbauend mit aller gebotenen Sachlichkeit die nächsten Schritte (der eigenen vernünftigen Reaktion auf den Glaubensabfall der Amtskirche) zu überlegen, wird alles, was aus ihrer Sicht angeblich nicht sein dürfe, auf welche Weise auch immer als nicht vorhanden erklärt.
Ja, diese Menschen verbleiben dann sehr wohl in der an sich sehr wohltuenden Gesellschaft einer großen (Kirchen)Gemeinschaft und vermeiden so, dass sie von ihrer Umgebung etwa als eine Art Ausgestoßene angesehen und behandelt werden. Sie haben es dann auch insofern bequem, dass sie sich auch weiterhin nicht veranlasst fühlen, eventuell sogar ziemlich weite und mühsame Wege zurückzulegen, um zur Kirche zu gehen und an der wahren hl. Messe teilzunehmen. Das Entscheidende verlieren sie dadurch aber sehr wohl - eine ganze Menge an tröstender und beseligender Gnade Gottes, vermittelt durch das wahre hl. Messopfer und die gültige Spendung der hl. Sakramente! Ganz zu schweigen von der Frage, wie ruhig oder unruhig das betreffende Gewissen dann auch sei... Es wäre vernünftig, diese zentrale Frage nach der Stimme des Gewissens auch in diesem Zusammenhang nicht außer Acht zu lassen!
Woher wollen wir denn genau wissen, dass Gott dies oder jenes nicht zulassen könne? Die Apostel haben offensichtlich auch gemeint, der Messias könne letztendlich doch nicht zum Tode verurteilt werden, leiden und sterben. Wohl auch und gerade deswegen haben sie am Gründonnerstag an Jesus Anstoß genommen und haben Ihn durch ihre Flucht im Stich gelassen. Der wahre Messias könne ja angeblich nur mit Seiner Macht auftrumpfen und über Seine Gegner triumphieren. Nun wurden sie aber eines Besseren belehrt - gerade das für fromme Israeliten ursprünglich unvorstellbare (stellvertretende) Leiden und Sterben des Gotteslammes Jesus Christus hat für die Menschen die Erlösung von den Banden der Sünde bewirkt! Das, was in den Augen und nach der Logik der Menschen die Niederlage Jesu darstellte und besiegelte, wurde zur Quelle des ewigen Heiles und des Sieges Jesu über die Mächte der Finsternis!
Auf diese Weise wurde und wird auch uns gezeigt, dass wir Gott in keinster Hinsicht irgendetwas sozusagen vorschreiben können und dürfen, was Er so alles an Prüfungen und Widerwärtigkeiten zulassen könne oder nicht! Er weiß es besser bzw. Er weiß es allein, was und in welcher Weise für uns letztendlich gut und von Nutzen ist. Wir mit unserem limitierten menschlichen Verstand überblicken ja letztendlich nur einen ganz kleinen Ausschnitt, einen winzigen Sektor dessen, was Ihm an Wissen zur Verfügung steht.
Wahrscheinlich ist in den ersten christlichen Jahrhunderten auch so manchem Gläubigen zweifelnd die Frage durch den Kopf gegangen, ob Gott es denn zulassen könne, dass die Christen im heidnischen Römischen Kaiserreich immer wieder blutigen Verfolgungen ausgesetzt und durch zahlreiche Morde und Martyrien dezimiert werden. Durchaus vorstellbar, dass dann auch gerade diese Überlegung so manchen, der im Glauben nicht fest genug war, ebenfalls dazu geführt hat, den Drohungen der Heiden nachgebend dem christlichen Glauben ganz abzuschwören.
Und dennoch war es - sofern es die menschliche Seite angeht - wohl gerade der Treue der standhaften Gläubigen zuzuschreiben, die sich durch nichts vom gesunden Gottvertrauen haben abbringen lassen, dass sowohl damals das mächtige und sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens beherrschende Heidentum als auch später im 20. Jahrhundert z.B. auch das totalitäre kommunistisch-atheistische System in den Ländern des früheren Ostblocks zunächst geistig und später auch konkret-politisch überwunden werden konnten. Zwar haben die treuen Gläubigen wegen ihrer Treue zu Christus und der Kirche unter Umständen sogar sehr viel in Kauf nehmen müssen, aber sie haben vor allem an Glaubwürdigkeit gewonnen, welche mit keinen Zahlen berechnet und mit keinem Gold aufgewogen werden kann! Denn jeder, der irgendwelche falschen Kompromisse eingeht, gewinnt zwar manches an äußeren Vorteilen und irdischen Werten. Zur gleichen Zeit gibt er dadurch aber auch das Kostbarste auf, was er in dieser Hinsicht besitzen kann - dass man ihm nämlich wegen seiner Ehrlichkeit glauben und vertrauen kann!
■ Als katholische Christen befinden wir uns heute menschlich gesprochen ebenfalls in einer schier ausweglosen Situation. Auf der einen Seite die neuheidnische Gesellschaft, die ein politisch-gesellschaftliches System aufbauen will, aus welchem viele genuin christliche Werte und Glaubensinhalte bewusst herausgehalten werden sollen. Auf der anderen Seite haben wir es mit einer “Konzilskirche” zu tun, die sich immer mehr zu einer Art Entwicklungshilfe-Organisation bzw. Sozialhilfe-Amt entwickelt - die so genannte political correctness und das Ducken vor gestimmten gesellschaftlichen Gruppen und scheinbar religiösen Schichten zählen da mehr als eine ganze Reihe fundamentaler christlich-katholischer Glaubenswahrheiten. Wie soll man da noch Hoffnung in die Zukunft haben? Wie kann man da noch irgendwie den Willen Gottes bzw. Seine Handschrift erkennen?
Setzen wir unseren uns von Gott gegebenen Verstand ein und besinnen uns - im Gegensatz zur gegenwärtig wahrzunehmenden Tendenz in Gesellschaft und Politik - umso bewusster und gewissenhafter auf die typisch christlichen bzw. katholischen Glaubensinhalte und moralischen Werte. Wenn wir so unser Glaubensleben intensivieren und eine tiefe geistige Beziehung zu Jesus Christus, unserem göttlichen Erlöser, aufbauen, werden wir dann auch in die Lage versetzt, Ihm allen bisweilen sogar gewaltigen Widerständen zum Trotz unsere unerschütterliche Treue zu halten! Im wahren katholischen Glauben kommt es also in erster Linie auf die positive Haltung zu Gott an, auf eine durch die Gnade Gottes ermöglichte Glaubenshaltung als eine in Liebe vollzogene Lebenshingabe der menschlichen Seele an Ihn, ihren Schöpfer und Erlöser! Alles andere ist da relativ zweitrangig.
Achtet ein Mensch zu sehr, zu stark oder zu häufig nur auf die negativen Erscheinungen um sich herum, verschwendet er zu viel äußere Kraft wie innere Glaubensenergie darauf und verliert mit der Zeit leider auch den Blick für das eigentlich Notwendige, Sinnvolle und Entscheidende - das Primäre. Richten wir also unser Hauptaugenmerk in erster Linie bitte nicht auf die uns umgebenden Widrigkeiten und Hindernisse (denen man auf der anderen Seite natürlich auch genügend Aufmerksamkeit schenken muss!), sondern interpretieren diese vielleicht sogar eher als eine uns von Gott gewährte Chance, ja Gnade, wodurch sich unsere Liebe zu Ihm gerade unter solchen erschwerten Umständen bewähren soll - echtes Gold wird im Feuer ja nicht zerstört sondern nur gereinigt und somit gewissermaßen auch weiter in seinem Wert gesteigert! In Bezug auf die Apostel heißt es ja: “Diese gingen voll Freude vom Hohen Rat hinweg, weil sie würdig befunden waren, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. Sie hörten nicht auf, Tag für Tag im Tempel und in den Häusern zu lehren und die frohe Botschaft von Jesus als dem Messias zu verkünden.” (Apg 4,41f.)
Gehen wir auch keine falschen Kompromisse ein. Etwa nach der Art, dass wir, was z.B. die Mitfeier der hl. Messe angeht, unterschiedslos alle Messen besuchen, welche nur irgendwie im überlieferten Ritus zelebriert werden. Ohne nämlich auch zu schauen, ob der betreffende Priester diese “una cum”, das heißt in liturgischer und somit Glaubensgemeinschaft mit den modernistischen “Päpsten” und “Bischöfen”, feiert oder nicht; ob er das “neue Rom” und somit auch das 2. Vatikanum und die “neue Messe” anerkennt oder nicht; ob er auch selbst noch die gültigen Weihen erhalten hat oder nicht; ob er seine Weihen überhaupt von einem gültig geweihten und eindeutig katholischen Bischof empfangen hat oder nur von einem eindeutigen Schismatiker und dazu auch noch mit zweifelhaft gültigen oder sogar fiktiven Weihen...
Gehen wir lieber gleich davon aus, dass wir heute praktisch immer, wenn wir uns da nämlich richtig verhalten, sowohl gewisse Nachteile und Einschränkungen praktischer Art als auch unter Umständen sogar Anfeindungen und Beschimpfungen seitens jener Leute in Kauf werden nehmen müssen, die sich eben falsch entscheiden und deren schlechtes Gewissen durch unser richtiges Verhalten noch weiter zunimmt. Aber bedenken wir auch, was hier als das Entscheidende ins Spiel kommt - die persönliche Glaubwürdigkeit, die als das größte Kapital eines treuen Jüngers Jesu angesehen werden kann und muss!
Wie Jesus nämlich fragt, was es denn dem Menschen nütze, wenn er zwar die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben verliert (vgl. Mt 16,26), so hat es auch keinen dauerhaften Wert bzw. eine nachhaltige Wirkung, wenn jemand vor allem in zentralen und wesentlichen Fragen des Glaubens, der Moral, der Liturgie oder auch der kirchlichen Ordnung nicht konsequent genug handelt und somit nicht nur sich selbst, sondern leider auch die gute katholische Sache, für die er verbal öffentlich eintritt, diskreditiert. Dann werden auch alle seine richtigen Worte und Taten umso kritischer beäugelt bzw. in ihrer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit bezweifelt.
Im Gleichnis von den Talenten spricht Jesus interessanterweise den folgenden Zusammenhang an: “Denn jedem, der hat, wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird noch genommen werden, was er hat”. Damit kritisierte Er die Haltung jenes Knechts im Gleichnis, der das eine von seinem Herrn empfangene Talent aus welchem Grund auch immer nicht richtig einsetzen und positive Ergebnisse erzielen wollte. Die anderen, gutwilligen gingen als Lohn für ihren Fleiß und guten Willen “in die Freude deines Herrn” ein. Dieser aber musste auch das noch abgeben, was er zuvor noch besass (vgl. Mt 25,14-30).
So kann dies in ähnlicher Weise durchaus auch im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Gottwohlgefälligkeit der eigenen Taten und den persönlich gewonnenen Erkenntnissen gelten. Wer sich weniger um die konsequente Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf Gott, Glaube und Kirche kümmert und sich dann etwa auch nicht scheut, gewisse der Wahrhaftigkeit eindeutig widersprechende Tricks anzuwenden, der darf sich dann wohl kaum wundern, wenn er mangels der belebenden und inspirierenden Gnade Christi in der Folgezeit innerlich verhärtet und sein Verstand auf eine bestimmte Weise verdunkelt wird.
Wer aber mehr aufrichtige Wahrheitsliebe an den Tag legt und sich umso ehrlicher um die Realisierung des Willens Gottes bemüht, dem werden dann wohl auch noch weitere tiefe und beglückende Erkenntnisse des heiligen Willens Gottes geschenkt werden, dem wird dann wohl auch das beseligende Gnadengeschenk zuteil, “in die Freude” Gottes, seines “Herrn” einzugehen!

P. Eugen Rissling

 

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